Es ist der denkbar grösste Widerspruch – auf der einen Seite eine kleine, ungleichmäßig geformte Kartoffel, von den Einheimischen liebevoll „Örpfel“ genannt, auf Hochdeutsch „Bamberger Hörnla“. Auf der anderen Seite: Katholische Prachtbauten. Bamberg erscheint für den Außenstehenden auf den ersten Blick wie ein Paradoxon. Ein prachtvolles Paradoxon mit viel Geschmack. Sicher einer der Gründe, warum die Stadt an der Regnitz von der UNESCO zum Weltkulturerbe gekürt wurde. Grund genug für ein Filmteam darüber einen Film zu drehen.
Bamberg ist trotz seines Alters ein lebendige Stadt. Dank Universität und vielen Automobilzulieferern florieren die Wirtschaft und das soziale Leben. Vor allem der tägliche Viktualienmarkt in der Stadtmitte ist eine zentrale Anlaufstelle für die Bamberger. Und hier sind es vor allem die Erzeugnisse der Gärtner, die besonders stark nachgefragt werden. Bamberg ist die Gärtnerstadt schlechthin, die sogenannten inneren Gärten Teil des Weltkulturerbes. Weite, freie Anbauflächen und die typischen Häuser der Gärtner bilden ein städtebauliches Alleinstellungsmerkmal. Um das Erbe der Gärtner zu bewahren, wurde vor über 30 Jahren das Gärtner und Häckermuseum gegründet. Das Einzige in Deutschland, dass sich mit der berufsmäßigen Gärtnerei befasst. Im Museumsgarten werden die alte Anbautechniken und Gemüsesorten kultiviert.
Ein Symbol für das Comeback der Bamberger Gärtnerkultur ist das Bamberger Hörnla. Die kleine festkochende Kartoffel ist von den Speisezetteln der Feinschmecker nicht mehr wegzudenken. Da sie von der Agrarindustrie aufgrund ihrer Form als ’nicht Verbraucher gerecht‘ abgestempelt wurde, drohte sie auszusterben. Der wahre Grund: Hörnla lassen sich nicht maschinell ernten. Denn das Bamberger Hörnla hat einen delikaten, leicht nussigen Kartoffelgeschmack, die „speckige“ Konsistenz und die feinen, intensiven Aromen machen das Bamberger Hörnla einzigartig. Und somit sehr wohl Verbraucher gerecht! Seine geschmacklichen Eigenarten zeigt es am besten bei Gerichten, denen die speckige Konsistenz der Kartoffel erst den richtigen Glanz verleiht. Die Slow Food Bewegung und die Rückbesinnung auf kulinarische Traditionen haben das Hörnla wieder aufleben lassen. 2008 wurde diese fränkische Kartoffel sogar zur ‚Kartoffel des Jahres‘.
Die Rückbesinnung auf traditionelle Gemüsensorten ist ein Chance für den Gärtnerberuf in Bamberg. Gegen den Turboanbau in Spanien oder Holland haben die Gärtner keine Chance – sie müssen ihr Heil in der Spezialisierung suchen. Der Kräutergarten im Gärtner und Häckermuseum zeigt deutlich, wie vielfältig die Gärtnerkultur in Bamberg gewesen sein muss. Bis ins 19. Jahrhundert war die Gärtnerei in Bamberg von einer stetigen Expansion geprägt, bis 1858 mit 540 Betrieben der Höchststand erreicht war. Danach nahm die Zahl der Betriebe ab, seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich. Heute bestehen noch rund 25 hauptberufliche Gärtnereibetriebe in Bamberg. Es ist aber nicht nur die harte und wenig lukrative Arbeit, die immer mehr junge Gärtner davon abhält den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Der Landhunger der Stadt sorgt für immer weniger geeignete Anbauflächen. Baugrund ist wertvoller als Gärtnerland. Das Museum zeigt deutlich das große Standesbewusstsein der Bamberger Gärtner.
Diesen Beruf auszuüben war etwas Besonderes. Nicht zuletzt, weil sich ganz gut davon leben liess. Die Erzeugnisse der Bamberger verkauften sich gut und wurden weitreichend exportiert. Aber diese ruhmreiche Zeit ist wohl endgültig vorbei. Wenngleich die Bamberger immer noch stolz auf ihre Gärtner sind: Denn die Gärtner und ihre Gärten waren, neben dem Berggebiet, im Mittelalter Ausgangspunkt der Ansiedlung in Bamberg und die Entwicklung und damit das heutige Stadtbild entscheidend geprägt. Neben der Bergstadt und der Inselstadt mit ihren bedeutenden Bauten oder ihrem städtischeren Charakter hat sich rechts der Regnitz ein Raum besonderer Prägung ausgebildet. Ohne seine Gärtner wäre Bamberg eine anderen Stadt. Das wird auch im Film deutlich.
Und wem das noch nicht reicht: Während und für die Dreharbeiten habe ich ein Rezept entwickelt, dass ich ganz unbescheiden mal ‚Bamberger Gärtnerraclette‘ genannt habe. Denn neben den Hörnla spielt dabei ein bestimmter Käse eine Rolle. Gekauft auf dem Bamberger Bauernmarkt. Es ist eine Art Reblochon, also ein halbfester Käse mit Rotschmiere. Sehr gehaltvoll und würzig. Ideal um neben Hörnla und sauer eingelegtem Kürbis ( noch ein Gärtnerstadtprodukt) zu brillieren.
Rezept Bamberger Gärtnerraclette:
Die Zutaten:
Bamberger Hörnla, Walnusskerne, halbfester Rotschmierkäse, marinierter Kürbis, Butter, Schnittlauch.
Zubereitung:
Zuerst die Hörnla kochen. Noch warm pellen, Walnusskerne sehr klein hacken. Schnittlauch waschen, trocken schütteln und in Röllchen schneiden. Butter in einem Topf zerlassen bis sie leicht zu bräunen beginnt. Die Walnüsse hinzufügen und kurz mitrösten. Die gepellten Hörnla dazugeben und in der Nussbutter ausgiebig schwenken bis sie rundum mit der Nussbutter überzogen sind. Auf einem vorgewärmten Teller anrichten. Den Käse in nicht zu dünnen Scheiben großzügig darauf verteilen und zerlaufen lassen. Als geschmacklichen Kontrapunkt süss-sauer eingelegten Kürbis dazulegen ( … auch ein Grüne Tomaten Chutney kann ich mir dazu vorstellen). Zum Schluss den Schnittlauch auf dem Gericht verteilen – und eine Sylvaner Spätlese dazu trinken.