SILVANER FORUM 2017: TAGEBUCH EINES VERKOSTERS

SILVANER FORUM 2017: TAGEBUCH EINES VERKOSTERS

Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Verkoster ist eine hochinteressante. Das hat nicht nur mit den Weinen zu tun, die man bei einer solchen Veranstaltung ins Glas bekommt. Im Idealfall bestimmt man sogar ein klein wenig mit, über den zukünftigen Weinstil der verkosteten Region, der Rebsorte oder eines einzelnen Winzers. Ist ja logisch – je erfolgreicher ein Wein, desto größer die Versuchung andere Winzer, diesem prämierten Stil nachzueifern.

Mit diesen Gedanken bin ich wie alle zwei Jahre zum Internationaler Preis des Silvaner Forums gefahren. Zusammen mit 51 weiteren Verkosterinnen und Verkostern – Önologen, Sommeliers, Winzer, Weinhändler und Weinfachjournalisten. 427 Silvaner sollten an einem Tag verkostet werden, unterteilt in die fünf Kategorien Basic, Premium, Solitär, Nobel und Gereift. Verkostet wurde nach dem 20 Punkte System.

Silvaner ist nicht gleich Silvaner

Mit mir am Tisch saßen in der ersten Runde Daniela Dejnega, Redakteurin bei ‚Der Winzer‘ aus Österreich, Thomas Stobbe, Sommelier aus Weimar und Bernhard Höfler, Winzer des gleichnamigen Weinguts aus dem Norden Frankens. Eine bunte Truppe, allesamt erfahrene Verkoster. An uns lag es, Weine der Kategorie ‚Basic‘ zu beurteilen. Zusammengestellt in Viererflights, wurden die Weine aus anonymisierten Flaschen eingeschenkt, aus der Flaschenform liessen sich also keine Rückschlüsse auf den Produzenten ableiten. Zwei bemerkenswerte Weine sorgten für Diskussionen am Tisch. Der erste war ein Silvaner – oder doch nicht? Aus dem Glas sprang eine deutliche Sauvignon Blanc Nase, Cassis, Stachelbeere – einhellige Meinung am Tisch: Nicht sortentypisch, wenn auch sauber vinifiziert – das kann keine 12 Punkte bekommen. Schliesslich setzt das ‚Sortentypizität‘ voraus. Und vom Typ her ist der Silvaner eine Rebsorte mit nicht sehr ausgeprägtem Fruchtnoten, also das genaue Gegenteil von diesem Wein. 11,5 Punkte und aus. Oder wie augenzwinkernd der Winzer am Tisch sagte: „Der kann nur aus Südtirol kommen, sowas macht doch kein Franke“.

Der letzte Flight bot dann ein weiteres Überraschungsmoment : Die ganze BUNTE Welt des Silvaners. Blauer Silvaner, drei  angestellte Weine, in der Farbe zwischen sattgelb und   zartrosa. Drei Weine, die die gesamte qualitative Bandbreite des Silvaner aufzeigten. Der Wein mit der Verkostungsnummer 119 stach qualitativ so deutlich heraus, er würde jedem Betrieb als Ortswein oder mehr zur Ehre gereichen. Ganz toller Stoff. Steht aber in der Kategorie „Basic“. Was tun? Abwerten, weil er in der falschen Kategorie steht? Und den Winzer so zum Umdenken und höher klassifizieren bewegen? Oder die ihm zustehenden 19 Punkte geben, weil er ein in allen Belangen großartiger Vertreter seiner Rebsorte ist?, wenn auch in der falschen Kategorie angestellt? Nach ausführlichem Gespräch entschieden wir uns für das ‚Belohnen‘.

Als Rosé getarnter Blauer Silvaner

Einfacher war es beim dritten Wein des Flights. Das sah aus wie ein Weißherbst, vielleicht sogar provençalischer Rosé. Blass lachsfarben, eine Spur Rost. Ungewöhnlich auch im Mund, viel zu süss, wirklich schmeckbarer Restzucker. Die zulässigen 9 Gramm RZ in dieser Kategorie müssen wirklich bis zum letzten Milligramm ausgereizt worden sein. Das kann es nicht wirklich sein, das ist vieles, aber doch kein Silvaner. Keine 12 Punkte. Damit war der erste Teil des Tastings beendet. Die höchstbewerteten Weine jeder Kategorie wurden zu neuen Flights zusammengestellt und für die Finalrunde vorbereitet. Also wieder in neutrale Flaschen umgefüllt.

Ungeliebter Bekannter

Nach der Mittagspause, frisch gestärkt, wurden die Weine wieder angestellt. Jetzt wurde nicht mehr am Tisch in Vierergruppe verkostet, jetzt war jeder Verkoster auf sich allein gestellt mit 4 Gläsern, Verkostungsbogen und Spucknapf. Ich war wieder in der Kategorie ‚Basic‘ und entdeckte alte Bekannte aus der Vorrunde. Sowohl den begeisternden Blauen Silvaner Nummer 119, wie auch den Silvaner mit dem markanten ‚Sauvignon Blanc‘-Aroma. Ganz offenbar muss er an einem anderen Tisch die Verkoster überzeugt und es so in die Finalrunde geschafft haben. Und wie mir der Blick zum Sitznachbarn zeigte, schien er auch hier seine Fans zu finden. Die volle Punktzahl stand da auf Zettel, ich notierte den Wein auch jetzt deutlich niedriger.

Perfekt: Reife Silvaner

Die letzten Weine des Tages waren Silvaner gereift, 2006 bis 1993 zurück. Der Beweis, dass Silvaner überaus gelungen reifen kann. Besonders bemerkenswert war ein trockener Silvaner aus 2004, ein Jahrgang der nach wie vor kein besonderes Renommee in Weintrinkerkreisen geniesst. In seiner Gesamtheit sicher zu Unrecht, wie sich zeigte. Denn dieses Exemplar war frisch, ausserordentlich komplex und von erstaunlicher Länge. Selbstverständlich waren leichte Reifenoten – vor allem in der Nase – deutlich zu erkennen. Aber mit jeder Minute im Glas wurde der Wein reichhaltiger und tiefgründiger, ständig schien eine neue aromatische Nuance dazuzukommen. Großartig – und nicht zu identifizieren. Das ist der Nachteil von verdeckten Tastings – man weiss nie, was man da im Glas hat. Kann also auch die Weine nicht im Nachgang nochmals verkosten.

Ich bin sehr gespannt, wer den Internationalen Preis des Silvaner Forums gewinnen wird. Nicht zuletzt treibt mich die Frage um, ob der – „mein“ – Blaue Silvaner auch andere Verkostern begeistern konnte. Ob der betont straffe, mineralische Stil sich durchsetzten wird. Oder ob der leichter verständlichere Nasenschmeichler mit Sauvignon Appeal das Rennen machen wird.